Das Projekt „Datamirror“ von Anders Eiebakke und Nando Schneider ermöglicht die Betrachtung der digitalen Rohstoffe, die nach dem gegenwärtigen Narrativ von KI zunehmend unsere Lebenswirklichkeit bestimmen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind zentrale Begriffe der Gegenwart. Diese Schlagworte begleiten sowohl heilbringende als auch angsteinflößende Zukunftsvisionen. So wie Kohle und Eisen zentrale Rohstoffe für die industrielle Revolution waren, sind heute Daten die Rohstoffe der gegenwärtigen Ökonomie. Sie spielen nicht nur im Bereich des Target Advertising eine Rolle, sondern kommen auch beim Racial Profiling seitens staatlicher Institutionen und Behörden oder im Versicherungsbereich zum Einsatz.
Das Projekt „Datamirror“ nimmt diese digitalen Rohstoffe und Technologien in den Blick, die zunehmend unsere Lebenswirklichkeit bestimmen und legt ihre Verfahrensweisen offen. Im Vorübergehen können Passant*innen im Schaufenster in einen „Datenspiegel“ blicken. Nach Einwilligung über Gestik werden ihnen im „Datamirror“ mithilfe einer Kamera und eines Bildschirms Daten angezeigt, die von bekannten großen Tech-Firmen auf Basis ihres eigenen Spiegelbildes generiert werden. Ein Prozess, der – meist von uns unbemerkt – in vielen Lebensbereichen bereits geschieht, wird von den Künstlern offengelegt. Auf den ersten Blick erscheinen die aus den Bildern erhobenen Daten, wie Augen- und Haarfarbe, Gemütszustand, oder Distanz zwischen Ohren und Mundwinkeln, nichtssagend. In der Weiterverarbeitung zeigen sich jedoch die Dimension und das Potenzial dieser Daten, auf deren Basis Aussagen über unterschiedlichste Zusammenhänge getroffen werden können – ethnische Zugehörigkeit, finanzieller Status, Kauf- oder Wahlverhalten sind nur einige davon. Das Projekt „Datamirror“ setzt sich mit diesen Themen auseinander und ist eine Einladung an die Passant*innen zur Selbstreflexion der spiegelbildlichen im Vergleich zur digitalen Erscheinung der eigenen Person im öffentlichen Raum.
In ihren Projekten hinterfragen Nando Schneider und Anders Eiebakke von staatlichen oder wirtschaftlichen Obrigkeiten genutzte Technologien und Strukturen. Während sich die meisten Menschen vor Echtzeitvideoüberwachung fürchten, zeigen sich die Künstler vielmehr besorgt über die Metadaten, die wir als digitale Spuren an Geldautomaten, Mautstellen, Handymasten, beim Surfen und mit Apps hinterlassen. In Verbindung mit Algorithmen und durch Kombination dieser Daten wird versucht, unser zukünftiges Verhalten zu berechnen. Nach Ansicht der Künstler ist es deshalb wichtiger denn je für eine Zivilgesellschaft, den Stand der gegenwärtigen Technologie zu verstehen und zu diskutieren. Ihre Projekte sehen sie als Beitrag hin zu einer zivilen Selbstermächtigung in Bezug auf Technologie und Zukunft jenseits blinden Einverständnisses und diffuser Angstvorstellungen.
Seit 2007 arbeitet Anders Eiebakke (*1970, lebt in Oslo) mit Drohnentechnologie und befragt diese auf ihre staatliche und militärische Anwendung sowie ihren zivilen Nutzen. Seine Werke wurden in den letzten Jahren u.a. ausgestellt bei PAM 2018, München; Manifesta 8, Murcia; The shadow of War: 100 years of Norwegian political art, Kunstnernes Hus, Oslo; Palais de Tokyo, Paris; National Theatre, Oslo und Piksel 17 festival for electronic art, Bergen. Einer der Höhepunkte seiner über zehnjährigen künstlerischen Auseinandersetzung mit Drohnentechnologie war 2016 die Auftragsarbeit «Seagull 1.0» für die norwegische Datenschutzbehörde.
Prägend für die Arbeit von Nando Schneider (*1982, lebt in München) ist sein wissenschaftlicher, interdisziplinärer und kollaborativer Ansatz. Er hat Musikwissenschaft, Philosophie und Informatik studiert und stellt in seinen Projekten Fragen rund um gesellschaftlichen Normen und Konventionen, Digitalisierung und geistiges Eigentum, so u.a. in der Performancelecture „Blütenlesen“ Akademiegalerie, München, in der Soundinstallation „Back to the Roots of Measurements and Beyond“, Kunstverein München, oder in „Stealing Fire From The Gods“, SOETH7, Berlin, seiner ersten Kooperation mit Anders Eiebakke.
Seit 2018 arbeiten die beiden Künstler zusammen an Projekten, die sich mit Überwachungstechnologien auseinandersetzen. Das Projekt „Datamirror“ wurde entwickelt ausgehend von Schneiders Verständnis für Computer-Technologie sowie interaktiven Kunstinstallationen und Eiebakkes Interesse an der Verbindung von Facial Recognition Software mit Naturstudien.